Mingun in Progress

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PutzAktion-3

Großputztag im Kindergarten. Foto:Christine Kießling

Liebe Gönner des Kindergartens Mingun, liebe Freunde!
Die dritte Woche begann mit einer Hochzeit in dem uns gegenüberliegenden Kloster. Die Feier hatte Sonntagabend mit lauter Musik begonnen. Eine große Menschenmenge stand auf dem weiten Areal herum. Nachts um drei sah ich schon die Kochtöpfe rauchen. Etwas abseits des mit Tischen vollgestellten Bereichs wurden zum Kochen mehrere Ziegelsteine aufeinandergeschichtet und um den Kreis, in dem das Feuer angezündet wird, an drei Stellen platziert. So kann man den Kochtopf, der zum Teil bis zu 80 cm Durchmesser hat, sicher abstellen. Die großen Mengen brauchen Zeit zur Fertigstellung, drum fingen die Köche so früh an. Es gab Gemüsesuppe, Reis und Bohnen, sicher auch etwas Fleisch oder Fisch. Die Musik  begann dann auch entsprechend früh, da ja schon alle auf den Beinen waren, ein Kommen und Gehen. Um 8 Uhr sah ich dann die ganze Gesellschaft an Tischen sitzend essen, mittendrin die Braut, stehend im Gespräch mit den Gästen. Bereits eine Stunde später war der ganze Zauber vorbei. Dann begann das große Aufräumen: Festlichkeiten dieser Art sind immer eine Gemeinschaftsaktion, alle helfen zusammen. Das Geschirr für die große Gesellschaft gehört der Gemeinde, man leiht es sich aus und bringt es dann in den Lagerraum, der auf dem Kindergartengelände steht, zurück. Solche Feiern finden gelegentlich auch im Kindergartengebäude und -gelände statt, wenn die Brautleute das Wochenende als Hochzeitstermin aussuchen und es früh genug bei Kyaw Kyaw oder dem Ortsvorsteher Bothaw anmelden. Ich war bereits einmal auf einer Hochzeit zu Gast und war über die Kürze und die fehlende Zeremonie erstaunt. Mir wurde dann erklärt, dass das junge Paar lange vor dem Fest im Heimatdorf im Kloster war zur religiösen Zeremonie.

Unbeeindruckt vom Hochzeitsrummel in der Nachbarschaft geht das Leben im Teashop, meinem Frühstückslokal, weiter.
Ist man um sieben Uhr vor Ort, kann man die spindeldünnen Mönche bei ihrem
morgendlichen Rundgang beobachten, bei dem sie ihr Essen einsammeln. Sie gehen
federnden Schrittes, immer barfuß, einzeln oder in kleinen Gruppen durchs Dorf. Sie
bleiben hintereinander in Laufrichtung neben einem Haus wortlos stehen. Kommt nach
einer Weile niemand, so gehen sie weiter, kommt ein Hausbewohner mit einer Gabe, so legen sie diese ungerührt und ohne Dank in ihre hölzerne  Bettelschale. Der Schenkende hat zu danken, da er die Chance erhält, durch Almosengeben etwas für sein Seelenheil zu tun. Oft werden sie bei ihrem Sammelgang von Hunden begleitet, die hoffen, dass auch für sie etwas abfällt. Einmal beobachtete ich, wie ein Hund einem mit raschen Schritten gehende Mönch durch die Beine schlüpfte, das Mönchsgewand streifte über seinen Rücken. Auch Nonnen sind in ihren rosaroten Roben unterwegs. Sie kochen offenbar selber, da sie mit Gemüsetüten vom Markt kommen, deren Inhalt sie sicher auch geschenkt bekommen haben. Es gibt viele kleinere oder größere  Klostergemeinschaften in Mingun, die unscheinbar zwischen den Häusern verstreut sind. Die Mönche und Nonnen werden hochverehrt, die Äbte von größeren Klöstern habe ungeheueren Einfluss auf das politische Leben. Ihre Worte haben Gewicht, auch bei Behörden. Auch uns hier im Kindergarten war “a  powerfull mastermonk” schon behilflich als wir uns gegen einen unsinnigen Beschluß einer Kreisstadt-Behörde durchsetzen mußten. Man kann ins Kloster gehen, sowohl für 7 Tage, als auch fürs ganze Leben. Die Klöster sind die Zentren für die religiöse und weltliche Erziehung. Die Klosterschule PDO in Mandalay, die größte Schule in ganz Myanmar, ist ein lebendiges Beispiel dafür. Man kann auch noch als alter Mensch
ins Kloster gehen. Der Vater der Bürgermeisterin entschloß sich dazu, als seine Frau
gestorben war. Er bekommt täglich von der Tochter mit dem Moped das Essen  geliefert, und wie ich sie kenne, soviel, dass es auch noch für andere reicht.  Gelegentlich macht er einen Spaziergang, besucht die Familie und spielt mit den Enkelkindern.

Die Zeit von halbacht bis acht ist am Teashop Rushhour für die Horde der Schulkinder, da um halb neun der Unterrricht beginnt. Man sieht sie auf dem alten Fahrrad, bei Regen einen Schirm haltend, den kleinen Bruder hinten drauf oder im “Schulbus”, einem überdachten Pickup mit Sitzbänken. Oftmals werden sie von Mama, Papa oder größerem Geschwister mit dem Moped zur einen Kilometer entfernten Schule gefahren. Auch hier ist das “Taxi Mama” schon weit verbreitet. In Myanmar fährt man halt mit dem Moped und nicht mit dem SUV. Alle Kinder haben ihre Schuluniform an: unterschiedliche Kleidungsstücke in den Farben grün (longi, Hose oder Rock) und weiß (Bluse, T-Shirt oder Hemd), auch der Umhängebeutel für die Schulsachen ist grüngemustert. Nun verlassen wir den aufschlußreichen Beobachtungsposten in meinem Frühstückslokal und wenden uns wieder meiner Wirkungsstätte, dem Kindergarten zu.
Am Dienstag wurde das zweite Eingangstor abgeschliffen. Kyaw Kyaw begann damit und nach fünfzehn Minuten waren sie schon zu viert. Sie haben dann bis Freitag, in
unterschiedlicher Besetzung daran gearbeitet. Auch der Bürgermeister packte an. Der
Ausdauerndste unter ihnen erhielt von mir die allseits beliebte Schokolade. Dienstags wird immer ein “riverwalk”  im Kindergarten durchgeführt, das heißt, sie spazieren ans
Irrawady-Ufer zum Spielen. In letzter Zeit gehen sie vermehrt zu bestimmten Orten im
Dorf,  um ihre Umgebung besser kennenzulernen. Das hört sich so leicht an. Bei meinem ersten Einsatz 2012 getrauten sich die Erzieherinnen nicht aus dem Gelände, da sie befürchteten, die Kinder nicht unter Kontrolle zu haben. Da konnte ich ihnen einige Tipps geben und sie sind daraufhin mutiger geworden. Nun, nach drei Jahren Erfahrung, angereichert mit ihren eigenen Ideen, erscheinen sie völlig routiniert. Letzten Dienstag waren sie mit einer großen Gruppe in der staatlichen Baumschule, wo sie in Kleinformat die Pflanzen betrachten konnten, die sie als große Bäume in ihrem Dorf sehen. Diese Woche besuchten sie das nahegelegene Altersheim. Als die alten Menschen die Kinder sahen, ging ein Lächeln über die runzeligen  Gesichter. Die Kinder haben einzelnen alten Frauen kleine Küchlein überreicht, die die Erzieherinnen besorgt hatten. Wir konnten dann noch im Speisesaal beim Gebet und dem anschließenden Essen dabeisitzen. Zu einer kleinen Vorstellung mit Liedern und Gedichten der Kinder war leider nicht die  passende Zeit. Ein andermal wollen sie wiederkommen und eine kurze Darbietung machen.

Am Mittwoch war der Schreiner da zur endgültigen Besprechung der Bücherei-Einrichtung. Das Zimmer soll ja doppelt genutzt werden: sowohl als Bücherei für die Schulkinder als auch als Ausweichraum für die Kleingruppenarbeit  mit den Kindergartenkindern. Deshalb gibt es auch verschließbare Schränke dort, um das Material in Griffnähe zu haben. Ich hoffe, unsere Detailwünsche kamen alle verständlich beim Schreiner an. Sie messen hier ja nicht in Zentimetern, sondern in Inch, ein Erbe der Engländer. Mittwochnachmittag war dann der Ritt auf dem Moped in die Kreisstadt Sagaing angesagt. Kyaw Kyaw und ich wollten die Fliesenauswahl für den Speiseraum begutachten. Sie war natürlich birmesisch, wie kanns auch anders sein: große Muster, viele Blumen. Wir fuhren zwei Geschäfte ab, das dritte
haben wir trotz intensiver Fragerei nicht gefunden. Mit zwei Vorschlägen auf dem Foto
kehrten wir, nach dem Kauf von Büchern und einer großen Tafel für die Eltern-
Mitteilungen, heim. Die Entscheidung für den richtigen Bodenbelag hat Zeit, da er erst in den Sommerferien (März-Mai) verlegt wird. Die dreiviertelstündige Fahrt mit dem Moped hat mir wieder Spaß gemacht, wenn sie auch anstrengend ist, vor allem weil Fahrer und Sozius bepackt sind wie die Esel. Über die Beobachtungen auf der Strecke müßte man einen Film drehen. Zuhause angekommen steigt man durchgeschüttelt und mit steifen Gliedern ab, mit  Sand in den Augen und zwischen den Zähnen, das Haar vom Wind zerzaust. Helmpflicht, was ist das?

Am Freitagnachmittag konnte ich spontan zusammen mit Kyaw Kyaw den Künstler besuchen, der die Aquarelle für unsere Benefiz-Ausstellung gemalt hat. So beeindruckend wie seine Bilder ist auch seine Persönlichkeit. Ich lernte ihn bereits bei einem Meeting mit dem Bürgermeister kennen und war damals schon von seiner Ausstrahlung fasziniert: ein still ruhender See. Er hat eine außergewöhnliche Lebensgeschichte: Als Kind wurde er von seinen Eltern ins Kloster gegeben, das ein Verwandter geleitet hat. Neben der Mönchsausbildung erhielt er auch Unterweisung im Zeichnen und Malen, da man sein Talent erkannte. Er studierte dann bei mehreren Meistern die Kunst des Aquarellierens. Vor vier Jahren beschloß er, aus dem Kloster auszutreten, da es ihm als Mönch nicht erlaubt ist, mit seiner Kunst Geld zu verdienen. Sein Abt ermöglichte ihm jedoch, weiterhin im Kloster zu leben. Er hat dort im ersten Stock eines kleinen Hauses, über eine schmale hölzerne Hühnerleiter zu erreichen, ein winziges Balkonkämmerchen als Atelier, wo er vor seiner Stafflei sitzt. Ich hätte gern beim Malen zugesehen, doch das wollte er nicht. Er hat uns dann nach unten begleitet und unter der Tür stehend, noch lange gewunken. Über Sandwege, vorbei an seinen im Hof sitzenden Mitbrüdern, verließen wir diese versteckte Zauberwelt.

Am Samstag, kammen um 10 Uhr mehrere Mütter zum Großputz in den Kindergarten. Sie arbeiteten zusammen mit allen Erzieherinnen schnell und wendig. Nach zweieinhalb Stunden konnten wir ins nahegelegene Restaurant abziehen. Ich revanchierte mich für die tolle Unterstützung mit einer Einladung zum Lunch. Die Helferschar zog lachend, schnatternd und zufrieden von dannen. Ich war es auch: Fenster und Türen geputzt, in den Spielecken die Kisten ausgewischt, die Veranda vom Sand befreit. Ein sauberer Kindergarten! Die Mithilfe bei einer Aktion dieser Art wird zukünfig zur Bedingung gemacht und am Elternabend bekannt gegeben. Sie zahlen ja für den Kindergartenbesuch keine Gebühr.

Soviel für heute, immer in action, grüßt Euch Christine aus dem kleinen Mingun am
großen Irrawady.

13.12.2015 Christine Kießling

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